Heute gibt es den vierten Teil meiner Blogpostreihe zum Thema Reisen trotz Vollzeitjob. Bea und Jan von New Work Life haben sich bereit erklärt, mir ein Interview zum Thema remote arbeiten zu geben. Denn auch das ist ein Weg, um trotz Vollzeitjob mehr reisen zu können.
Die beiden haben selbst eine Zeitlang remote in Festanstellung (Bea) und mit eigener Remote-Beratungsfirma (Jan) gearbeitet und so die Arbeitswelt 4.0 im Zeitalter der Digitalisierung kennen- und lieben gelernt. Inzwischen sind Bea und Jan als Autoren selbstständig und können prinzipiell Reisen wann und wohin sie wollen.
Durch ihre Arbeit an der Bücherreihe „Go Remote!“ sind sie Experten für sämtliche Varianten von Remote Arbeit. Sie kennen jede Menge Jobs und haben einen Haufen Kontakte unter den Remote Arbeitenden auf dieser Welt.
Ich bin sehr glücklich, dir heute den ersten Teil des Interviews präsentieren zu können! Es geht dabei um die Geschichte der beiden und die Vorteile der Remote Arbeit – für dich als Privatperson und auch für Unternehmer.
Nächste Woche kommt dann Teil Zwei, wo es darum geht, was alles zum remote arbeiten dazu gehört, das heißt was du als Arbeitnehmer mitbringen solltest, wie der Alltag so aussieht und wie die beiden sich immer wieder selbst motivieren.
Genug der langen Worte, jetzt wünsche ich dir viel Spaß und tolle Eindrücke mit dem Interview Teil 1:
1. An welchem Zeitpunkt in eurem Leben seid ihr auf das Thema Remote Arbeiten gestoßen? Wie war die Ausgangssituation?
Jan: Diese Frage würde ich erstmal aufgreifen. Wir sind ja jetzt auch nicht mehr die jüngsten. Im Jahr 2006, während meines Studiums, bin ich für ein Auslandssemester nach Spanien gegangen. Ich hatte zu dem Zeitpunkt in Kiel einen Studentenjob. Ich war lange im Zwiespalt, da der Job echt cool war und mein Studium finanziert hat, aber vor Ort in Kiel war.
Ich habe dann überlegt: „Kann ich meinen Job aufgeben und ein Auslandssemester machen?“ Ich habe einen inneren Konflikt mit mir ausgetragen, der aber glücklicherweise durch meinen sehr netten Chef damals gelöst wurde, indem er gesagt hat: „Hey, geh nach Spanien, und arbeite von dort aus für uns!“
Das Unternehmen war „Fintech“ Bereich tätig und wir waren sowieso sehr digital aufgestellt und hatten auch bereits einen Mitarbeiter, der damals von den USA aus gearbeitet hat. Von daher waren wir es schon ein Stück weit gewohnt, remote zusammen zu arbeiten. Mittlerweile ist das 13 Jahre her.
Nach meinem Auslandssemester bin ich wieder nach Deutschland zurückgekommen und habe dann wieder ganz normal im Büro gearbeitet – vielleicht manchmal Home Office oder von unterwegs, aber nicht 100% remote, sondern eher punktuell. Nach dem Studium hatte ich das Thema dann auch ziemlich aus den Augen verloren. Ich habe nach dem Studium in einer Unternehmensberatung gearbeitet, war dort auch sehr viel unterwegs – aber immer beim Kunden vor Ort oder im Büro.
Irgendwann in 2013 hatte ich während eines Kundenprojektes mit einem Software Unternehmen Kontakt, und deren Teamstruktur war remote. Das fand ich damals ziemlich beachtlich.
2015 habe ich mich zusammen mit einem Partner selbstständig gemacht, und von Anfang an war klar: Wenn wir eine Firma machen, dann soll diese komplett remote aufgestellt sein. Weil wir nicht zusammen an einem Ort wohnten und gute Mitarbeiter für uns gewinnen wollten. Also wenn eine Firma, dann remote. Und so haben wir es dann auch gemacht.
Bea: Ich bin das erste Mal in Kontakt mit Remote Work gekommen als ich für das Unternehmen meiner Eltern gearbeitet habe, nachdem ich mehrere Jahre in einem großen Konzern für Elektronik gearbeitet und gekündigt habe, aus einer Assistenzfunktion vom Finanzvorstand heraus. Anschließend habe ich für meine Eltern im Online Marketing gearbeitet.
Ich saß dabei in Ingolstadt und die Baufirma meiner Eltern war in NRW. Weil es ein eher kleines Unternehmen war, habe ich den Bereich Marketing betreut, also eher eine One-Woman-Show. Ich war immer in Abstimmung mit meinen Eltern und den anderen Mitarbeitern der Firma. Die Zusammenarbeit hat sehr gut funktioniert.
Wir haben einen Relaunch der Webseite gemacht, verschiedene Online Marketing Maßnahmen eingeführt und sogar Printsachen habe ich designed und bei Online Druckereien geordert. Das hat wunderbar alles gut funktioniert.
2. Was sind eurer Meinung nach die größten Vorteile der ortsunabhängigen Arbeitsweise?
Bea: Diese sind unter anderem in unseren Büchern zu finden. (Links zu den Büchern findest du am Ende des Artikels) Erstens: Du hast als Mitarbeiter weniger Kosten. Du kannst frei entscheiden, wo du wohnst. Viele Unternehmen haben ihre Standorte in großen Städten mit hohen Mieten, wie München, Berlin oder Hamburg.
Wenn du nun im Home Office oder remote arbeitest, kannst du theoretisch auf dem Land in Deutschland oder sogar im Ausland wohnen und sowas wie Arbitrage für dich nutzen, und dadurch erheblich deine Mietkosten und Lebenshaltungskosten reduzieren.
Als Angestellter hast du häufig auch ein Auto, weil du zur Arbeit pendelst sowie bestimmte Bürokleidung, die du vermutlich nur im Büro trägst, wie zum Beispiel ein schwarzes Jackett. Das kostet alles Geld. Diese Dinge brauchst du bei Remote Arbeit nicht mehr zwangsläufig.
Jan: Es ist auch letzten Endes gut für die Umwelt. Man muss nicht mehr so viel pendeln. Zum Beispiel München ist ja die deutsche Hauptstadt des Pendelverkehrs. Wenn du dir überlegst, die Leute, die in München arbeiten und um München herum wohnen, könnten sich die Fahrt sparen, würde das erheblich die Feinstaubbelastung in und um München reduzieren. Auf jeden Fall ein ganz großes Pro!
Bea: Ein ganz großes Pro ist für viele auch das selbstbestimmte Leben. Wenn ich remote arbeite, kann ich mich mit den Menschen umgeben, die ich mag. Ich weiß nicht, ob du das schonmal gehört hast, aber du bist immer der Durchschnitt aus den fünf Menschen, mit denen du dich umgibst. Die Kollegen kannst du dir halt nicht aussuchen.
Wenn du remote arbeitest, kannst du in Coworking Spaces gehen, wo viele Gleichgesinnte sitzen. Du kannst aber auch Coliving machen mit Leuten, die auch remote unterwegs bin, und daran persönlich wachsen. Wenn du Mama oder Papa bist, kannst du viel mehr Zeit mit deiner Familie und deinen Kindern verbringen und diese aufwachsen sehen.
Stichwort Produktivität: Es ist mit Studien nachgewiesen worden, dass Menschen, die im Home Office arbeiten, produktiver sind als Menschen, die im Büro sind. Denn – und das kennst du wahrscheinlich auch – dort gibt es eine Menge Störfaktoren und Ablenkungen, und die fallen dann weg.
Jan: Wir führen ja selbst auch Interviews mit Firmen, die remote arbeiten. Wir haben uns z.B. mit dem Geschäftsführer von komoot unterhalten. Und er hat uns erzählt, dass sein Team so dermaßen produktiv und effizient arbeitet, dass sie in ihre Arbeit schon bewusst Ineffizienzen einbauen. (Das Interview kannst du hier nachlesen.)
3. Jan, du hast ja selbst eine Beratungsfirma aufgebaut, die remote tätig ist. Was sind die wichtigsten „Regeln“ für dein Unternehmen, dass alles reibungslos funktioniert?
Jan: Also, die Firma besteht in dieser Form heute nicht mehr. Mein Partner und ich haben irgendwann entschieden, getrennte Wege zu gehen. Nichtsdestotrotz haben wir die Firma mehr als ein Jahr lang sehr erfolgreich gemeinsam remote geführt. Für uns waren verschiedene Faktoren wichtig.
Erstens: Wenn du eine Remote-Firma hast, darfst du kein Kontrollfreak sein. Denn deine Mitarbeiter sitzen irgendwo verteilt und machen von dort aus ihre Arbeit. Du darfst also nicht erwarten, dass sie den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen. Es geht einfach nur darum, dass sie ihre Aufgaben erfüllen. Du musst ihnen entsprechendes Vertrauen entgegenbringen, sonst funktioniert das Ganze nicht.
Zudem ist wichtig, dass du ziel- und nicht zeitorientiert mit deinen Leuten arbeitest. Es geht nicht darum, dass deine Mitarbeiter 40 Stunden hinter ihrem Laptop sitzen, sondern darum, dass sie ihre Ziele, die vor allem in einem Projektgeschäft schön darstellbar sind, erreichen. Das macht am Ende des Tages ja auch den Kunden glücklich.
Schließlich arbeitest du auch remote, damit alle Beteiligten ihre Freiheit haben und den Tag ein Stück weit selbst gestalten können. Es sollte klar sein, dass deine Mitarbeiter nicht nur in den Randstunden arbeiten, also etwa von 6-8 und von 18-24 Uhr und den Rest der Zeit frei machen. Es sollten schon Überschneidungen mit den Kollgen geben. Aber wenn jetzt jemand beispielsweise um 13 Uhr zum Klarinettenunterricht will – dann soll er dahin gehen.
Das sind alles Bestandteile einer offenen und vertrauensvollen Unternehmenskultur, die es zu kreieren gilt. Meines Erachtens haben wir das mit unserer Firma auch ganz gut geschafft.
Wir haben regelmäßig – alle 3 Monate – Teamevents durchgeführt, bei denen wir uns alle face-to-face gesehen haben. Das Event ging immer zwei Tage und war gesplittet: An einem Tag haben wir operative Themen behandelt, zum Beispiel gemeinsam an der Unternehmensvision gearbeitet, Projektinhalte besprochen und gemeinsam versucht, Probleme und Herausforderungen zu lösen. Der zweite Tag war für das Teambuilding vorgesehen. Wir haben dann gemeinsame Aktivitäten gemacht haben, die uns zusammengeschweißt haben.
Unabhängig davon waren wir regelmäßig im Austausch, egal auf welchem Kanal – ob Email, Telefon oder WhatsApp. Ansonsten hatten wir einmal die Woche ein virtuelles Teammeeting, bei dem jeder erzählt, was er oder sie gestern gemacht hat und wie der Plan für den Folgetag aussieht. So wusste ich immer, was meine Leute machen, und wir konnten uns gegenseitig helfen, wenn Probleme aufgetreten sind.
Letzten Endes waren das die Faktoren, die uns sehr erfolgreich gemacht haben.
4. Welche Vorteile hat ein Unternehmen davon, dass die Mitarbeiter remote arbeiten?
Bea: Auch das Unternehmen spart Geld: Wenn du kein Büro hast, hast du auch keine Mietkosten. Du musst keine Büromöbel kaufen, du musst keine Nebenkosten wie Strom Gas Wasser etc bezahlen und du musst auch keine Parkplätze anmieten. Es gibt sicher noch mehr Kosten, die in diesen Bereich fallen.
Weiterhin hast du eine geringere Mitarbeiterfluktuation – dazu gibt es auch Studien – und du kannst die besten Talente anstellen, da du bessere Mitarbeiter Benefits anbieten kannst. Denn es gibt einige Mitarbeiter, die soweit gehen und sich einen anderen Arbeitgeber suchen würden, wenn sie nicht remote arbeiten können.
Wahrscheinlich hast du sogar geringere Personalkosten. Es gibt Studien dazu, die sagen, dass Remote Mitarbeiter bereit sind, bis zu 8% Gehaltsreduktion zu tolerieren. Das ist auf jeden Fall ein Benefit für das Unternehmen und kommt unter anderem daher, dass der Mitarbeiter beispielsweise selbst wählen kann wo er wohnt.
Jan: Gerade im Online Bereich gibt es national und international gute Talente, die du aber teilweise dann in Regionen holen müsstest, die nicht besonders attraktiv sind. Wie bringst du Leute von Berlin nach Bamberg? Das geht nur, indem man ihnen mehr Gehalt, einen Firmenwagen oder sonstige Goodies bietet. Wenn jemand in Berlin lebt, weil er dort gerne ist, dann musst du ihm auch richtig etwas bieten, meistens monetärer Art, dass er nach Bamberg, ins Allgäu oder sonst wohin kommt.
Jenny: Vielen Dank für eure Zeit und eure tollen Antworten, ich freue mich schon auf Teil 2 nächste Woche!
Reisen trotz Vollzeitjob – Remote Arbeiten
Bea und Jan haben im Interview ganz toll die wichtigsten Vorteile des remote arbeitens aufgezeigt. Die beiden haben 3 Bücher zu dem Thema geschrieben, in denen sie viele verschiedene Jobs vorstellen, die remote durchgeführt werden können.
- für die Technik-, Zahlen- und Organisationstalente*
- für Soziale und Kommunikative*
- für Kreative und Texter*
Wenn du also nach diesem Interview überzeugt bist, schau doch mal welcher Bereich am besten zu dir passt und lese dich durch die große Bandbreite an Jobs, die die beiden herausgearbeitet haben!
Ansonsten teilen Bea und Jan auch viele Infos zum Remote Arbeiten auf ihrem Blog, unter anderem gibt es dort Interviews mit Unternehmen, die das Konzept anbieten und leben. Auf Instagram findet ihr sie unter @New_Work_Life.
Und nicht vergessen: Nächste Woche folgt Teil 2 des Interviews.
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[…] Letzte Woche haben Bea und Jan ihre Geschichte erzählt und die Vorteile des Remote Arbeitens dargestellt – für dich als Privatperson und auch für Unternehmer. […]
Leo: Auf uns trifft das Wort New Work relativ gut zu. Wir arbeiten alle von unterschiedlichen Orten. Momentan ist Moritz, der Geschaftsfuhrer, beispielsweise in Vietnam unterwegs, Jan und ich sind in Malaysia. Der andere Moritz macht gerade Vancouver unsicher. Nur Severin ist in Deutschland. Deswegen ruht die Firma aber keineswegs.